England – play streets

Temporäre Spielstraßen in England

In Europa nimmt England, insbesondere die Städte London und Bristol, eine Vorreiterstellung in Bezug auf temporäre Spielstraßen ein. Über 500 Kommunen haben die „playing-out initiative“ unterzeichnet und alleine in London gibt es über 60 temporäre Spielstraßen, in Bristol sind es sogar über 100! Für alle, die temporäre Spielstraßen in Deutschland fördern und unterstützen möchten, lohnt sich daher ein Blick nach England.

Eine kurze Historie

Temporäre Spielstraßen haben in England eine lange Tradition. Bereits 1938 wurde ein Gesetz erlassen, welches die Einrichtung von temporären Spielstraßen erlaubte. Diese erfreuten sich einer großen Beliebtheit und 1950 gab es über 700 temporäre Spielstraßen in ganz England und Wales!

Dieser Trend kehrte sich jedoch leider um. Schon 1980 waren temporäre Spielstraßen in England wieder so gut wie verschwunden. Erst 2008 wurden die temporären Spielstraßen wiederentdeckt und unter anderem das „London Play’s Street Play programme“ und die „playing out initiative“ ins Leben gerufen. Auch die Regierung erkannte nun die positiven Auswirkungen von temporären Spielstraßen auf die Gesundheit von Kindern.

Temporäre Spielstraßen in England

Anders als z.B. in Bremen wird für gewöhnlich keine dauerhafte Beschilderung eingesetzt, sondern mobile Schilder und Pylonen zur Sperrung aufgestellt. Auch wird der Autoverkehr in der Regel nicht gänzlich verboten. Zwar ist die Straße für den Durchgangsverkehr gesperrt, aber Anwohner dürfen in Schrittgeschwindigkeit und unter Anleitung eines Aufsehers (meistens Freiwillige in Warnwesten) aus der Straße heraus- bzw. hineinfahren. In der Regel finden die temporären Spielstraßen in den Sommermonaten einmal im Monat bis einmal die Woche statt.

Politische Unterstützung von temporären Spielstraßen

Anders als in Deutschland werden temporäre Spielstraßen in England von der nationalen Politik und Verwaltung gefördert. So finanziert das „Department of Health“ vier Organisationen, welche temporäre Spielstraßen in England entwickeln und organisieren und vor allem engagierte Bürger bei Anmeldung, Organisation und Durchführung begleiten:

Temporäre Spielstraßen in London – London Play

In London hat die Stadtregierung es den Bezirksverwaltungen freigestellt, die Einrichtung von temporären Spielstraßen gesetzlich zu ermöglichen. Mittlerweile haben etwa zwei Drittel dies auch eingeführt. Die Organisation London Play arbeitet daran, auch die letzten Bezirksverwaltungen zu überzeugen. Zudem unterstützt Sie Anwohner bei den Anträgen und der Organisation, sowie der Durchführung von temporären Spielstraßen.

London – Play Starters

London Play hat zudem einige so genannte „play starters“ engagiert, die temporäre Spielstraßen in London besuchen und spielpädagogisch begleiten. Zudem berichten diese (leider seit längerer Zeit nicht mehr) auf Ihrem Blog  über Ihre Erfahrungen.

Hackney school play streets

Der Stadtteil Hackney war der erste in London, der temporäre Spielstraßen (wieder) offiziell eingeführt hat. Entsprechend gut organisiert ist hier die Gemeinschaft. Hackney hat zudem eine Besonderheit zu bieten:

Die so genannten school play streets. Hierbei wird die temporäre Spielstraße, z.B. einmal im Schulhalbjahr, zusammen von der Schule und engagierten Eltern organisiert und z.B. an einem Freitag nach Schulschluß durchgeführt. Es ist eigentlich eine naheliegende Idee, die Organisation temporärer Spielstraßen nicht allein in die Hände von engagierten Eltern zu legen, sondern auch öffentliche Einrichtungen zu beteiligen, die ohnehin ein starker Bezugspunkt für die Kinder der Nachbarschaft sind. Im Endeffekt profitieren die Kinder, aber auch die Eltern lernen sich kennen und die Identifiktation mit der Schule und dem Stadtteil wird gestärkt.

Temporäre Spielstraßen in Bristol – playing out

Bristol, eine Stadt im Süd-Westen Englands mit etwa 450.000 Einwohnern (weniger als Bremen, übrigens), kann mit über 100 temporären Spielstraßen im Jahr aufwarten. Die Stadt hat es Bürgern sehr einfach gemacht, diese zu beantragen. Unterstützt werden sie von playing out, die auf Ihrer Website eine Fülle von Informationen bereithalten und auf Ihrem Blog neben Erlebnisberichten von temporären Spielstraßen auch über das playing out movement und aktuelle Geschehnisse rund um temporäre Spielstraßen in England berichten.

Wissenschaftliche Begleitung der temporären Spielstraßen

Die Bedeutung von Bristol für die temporären Spielstraßen in England wird auch durch die University of Bristol gefördert, die zusammen mit der Organisation „play england„, welche sich für die Durchsetzung des Rechts auf Spiel der UN-Kinderrechtskonvention in England einsetzen, das Thema wissenschaftlich begleiten und zum Beispiel die Auswirkungen von Straßenspiel auf die Gesundheit der Kinder und den nachbarschaftlichen Zusammenhalt untersucht haben. Gerade benachteiligte Nachbarschaften können laut einer weiteren Studie von temporären Spielstraßen profitieren. Die Studien können hier heruntergeladen werden.

Fazit

Es wird schnell klar, warum England in Europa ein Vorreiterrolle in Bezug auf temporäre Spielstraßen einnimmt:

Zum einen gibt es eine lange Tradition, auf die zurückgeschaut werden kann, aber vor allem ist es politisch gewollt und wird finanziell unterstützt. Die temporäre Spielstraße wird als eine Möglichkeit gesehen, die Gesundheit von Kindern nachhaltig zu verbessern und daher vom „Department of Health“ finanziell gefördert. Es ist daher nicht nur „Kinderquatsch“ sondern Teil der nationalen Gesundheitsförderung und dem Entsprechend in der Gesellschaft angesehen. Kommunen finden bei verschiedenen Organisationen Anleitungen, wie sie temporäre Spielstraßen rechtlich verankern können und engagierte Bürger bekommen umfassende Hilfe bei der Beantragung, der Organisation und der Durchführung.

Dies macht auch deutlich, was in vielen anderen Ländern fehlt:
Der politische Wille und das gesellschaftliche Verständnis für die Wichtigkeit des (Draußen-)Spiels für Kinder und den Beitrag, den temporäre Spielstraßen hierfür leisten können.

Zwei Aspekte, die dieser Blog befördern will.